Soziales

Arbeitskampf im Gastrogewerbe der Neustadt

28. Februar 2014 - 18:04 Uhr - Eine Ergänzung

Laut und motiviert zogen am frühen Donnerstagabend mehr als 70 Angehörige der Gewerkschaftssektion Nahrung und Gastronomie (BNG) der FAU-Dresden gemeinsam mit Sympathisantinnen und Sympathisanten durch die Straßen des Szeneviertels Äußere Neustadt. Der Auftakt der Demonstration fand vor der Kneipe „Trotzdem“ statt, deren Betreiberin zuvor drei Mitglieder der Gewerkschaft unter dem Vorwand des Diebstals von Getränken gekündigt hatte. Als Reaktion auf die Kündigung hatte die Gewerkschaft im Februar für vier Wochen mit einem Streikposten Stellung vor der Kneipe bezogen, um nicht nur die Öffentlichkeit auf ihren Fall aufmerksam zu machen, sondern ebenso für eine Wiedereinstellung und einen Haustarifvertrag zu protestieren.

Inhaltlich drehten sich die Redebeiträge vor allem um die prekären Beschäftigungsverhältnisse in einer Vielzahl Dresdner Gastronomieeinrichtungen. Es wurde von unzähligen desaströsen Einzelheiten aus dem Berufsalltag der Beschäftigten berichtet. So ist es beispielsweise von Seiten der Chefin oder des Chefs üblich, den Umgangston bewusst freundschaftlich und vertraut zu gestalten, während gleichzeitig miserable Stundenlöhne bezahlt oder das von den Gästen gezahlte Trinkgeld einbehalten wird. Der Trick, eine Beziehung auf persönlicher Ebene finanziell rentabel zu machen, findet sich auch in vielen Szenelokalen wieder. Dies führt dazu, dass Angestellte häufig lieber auf einen Diskussion für eine faire Bezahlung verzichten, als sich auf die Ebene einer persönlichen Auseinandersetzung zu begeben. Desweiteren stellt unbezahlter Urlaub eher die Regel, als die Ausnahme für Beschäftigte dar, die häufig nur als Selbstständige angestellt werden. Zudem sind viele Betriebe personell stark unterbesetzt, was ein stressiges und nicht zuletzt auch ein ungesundes Arbeitsklima zur Folge hat.

Ein weiteres Anliegen der Demo war der Ruf nach einem Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde, den die Gewerkschaft BNG/FAU für die Angestellten im Gastrosektor mittlerweile fordert. Bei realen Stundenlöhnen von stellenweise vier(!) Euro, scheint bereits dieser keineswegs hohe Betrag für viele prekär Beschäftigte eine utopische Forderung zu sein. Bei Zwischenkundgebungen auf der Louisenstraße und vor dem Hebedas wurden wertvolle Tipps gegeben, wie die Isolation für die Beschäftigten aufgebrochen und Belegschaften organisiert werden können. Dabei kommt es vor allem auch auf eine kritische Kundschaft an, die Arbeitsbedingungen hinterfragt und sich gegebenenfalls mit den Beschäftigten solidarisiert. Dies könnte dazu führen, dass im Zweifelsfall ein Laden einfach nicht mehr besucht wird, wenn die Löhne der Angestellten extrem niedrig oder die Arbeitsbedingungen katastrophal sind.

Viel positives Feedback kam von Passantinnen und Passanten, von denen sich auch einige der Demonstration spontan anschlossen. Ebenso die zahlreichen verteilten Flyer wurden dankbar angenommen. Auch wenn die Demonstration den vorläufigen Abschluss des Streikpostens vor dem „Trotzdem“ markiert, geht der Arbeitskampf weiter. Inzwischen haben die Gewerkschaftsmitglieder vor dem Arbeitsgericht Klage gegen die Kündigung eingereicht. Es ist an der Zeit, im angesagtesten Kneipenviertel der Stadt, die Missstände zu thematisieren und zu verbessern. „Hey ho, bewegt was in der Gastro!“.

Lesenswerter Artikel: Kellnern in der Neustadt ist ein Knochenjob


Veröffentlicht am 28. Februar 2014 um 18:04 Uhr von Redaktion in Soziales

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